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Dienstag, den 15. Februar 2011 um 04:46 Uhr

Folsäurestoffwechsel: Forscher identifizieren angeborenen Gendefekt

Das Vitamin Folsäure ist für den menschlichen Körper von zentraler Bedeutung und wird über Nahrungsmittel wie Vollkornprodukte oder Nüsse aufgenommen. Kommt es durch Mangelernährung oder angeborene Defekte zu einer Störung des Folatstoffwechsels (Folate sind biochemische Zwischenprodukte der Folsäure), können schwere Veränderungen im Blutbild, zum Beispiel Anämien (makrozytäre oder megaloblastäre Anämie) sowie neurologische Störungen wie Krampfleiden oder Lernschwierigkeiten auftreten. Kurzum: Folatmangel im Kindesalter führt zu erheblichen Beeinträchtigungen in der körperlichen und geistigen Entwicklung.
Jetzt hat eine Forschergruppe um Dr. Holger Cario, Oberarzt an der Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, einen bisher unbekannten Auslöser für dieses Krankheitsbild identifiziert. Im American Journal of Human Genetics (AJHG) beschreiben die Wissenschaftler einen angeborenen Gendefekt, der den Folatstoffwechsel stört. Auslöser für das Forschungsinteresse waren Geschwister aus dem Ulmer Umland, die in unterschiedlichem Maße Symptome eines Folsäuremangels zeigten, also Veränderungen des Blutbilds, Lernschwierigkeiten und ein kompliziertes Krampfleiden. Die familiäre Häufung des Krankheitsbildes ließ die Forscher genauer hinschauen: „Trotz normaler Folatkonzentration im Plasma, fanden wir bei allen drei Kindern einen Folatmangel in den blutbildenden Zellen sowie im Zentralen Nervensystem und vermuteten eine angeborene Stoffwechselstörung“, erklärt Cario. Tatsächlich wurden die Wissenschaftler bei einer DNA-Analyse fündig und wiesen bei den Geschwistern eine homozygote Mutation im sogenannten DHFR-Gen nach. Dieses Gen kodiert mit der Dihydrofolatreduktase ein Schlüsselenzym des Folatstoffwechsels. Aufgrund der Mutation ist das Enzym weitgehend inaktiv.

Nach einer Behandlung mit dem Folsäurederivat Folinsäure normalisierten sich die Blutbilder der Kinder sowie die Folatkonzentration im Zentralen Nervensystem, ihre kognitive Leistungsfähigkeit nahm zu. Allerdings blieben neurologische Störungen bestehen. Die Geschwister werden ein Leben lang eine Behandlung mit Folinsäure und gegebenenfalls Antiepileptika benötigen. Dabei hat die entfernte, der Familie vor den Untersuchungen nicht bekannte, Verwandtschaftsbeziehung der Eltern die Vererbung des Gendefekts begünstigt.

„Mit unserer Publikation wollen wir Kollegen für das bisher unbekannte Krankheitsbild sensibilisieren, denn die frühzeitige Gabe von Folinsäure kann schwere Störungen verhindern oder zumindest beschränken“, appelliert Cario. Schließlich sei die baden-württembergische Familie kein Einzelfall: Ebenfalls in der Zeitschrift AJHG stellen britische Forscherkollegen eine andere Mutation des DHFR-Gens vor, die bei pakistanischen Geschwistern ein ähnliches Krankheitsbild verursacht habe. „Zudem trägt der neu entdeckte Gendefekt zu einem besseren Verständnis des Folatstoffwechsel bei, der auch in der Krebstherapie eine Rolle spielt“, so Holger Cario.

Aus Ulm waren neben PD Dr. Holger Cario Professor Harald Bode, Professor Klaus-Michael Debatin und Professorin Elisabeth Kohne (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin) sowie Dr. Karlheinz Holzmann (Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung, Klinik für Innere Medizin III), Dr. Klaus Schwarz, Dr. Ulrich Pannicke und Eva-Maria Rump (Institut für Transfusionsmedizin, Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik) an der Publikation beteiligt. Weiterhin leisteten Forscher der Freien Universität Amsterdam, der Ludwig-Maximilians-Universität München, des Kinderspitals Zürich (zudem Universität Zürich) sowie des Epilepsiezentrums Kork Beiträge.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.uni-ulm.de/home2/presse/pressemitteilung/article//folsaeuresto.html

Quelle: Universität Ulm (02/2011)


Veröffentlichung:
Cario et al., Dihydrofolate Reductase Deficiency Due to a Homozygous DHFR Mutation Causes Megaloblastic Anemia and Cerebral Folate Deficiency Leading to Severe Neurologic Disease, The American Journal of Human genetics (2011), doi:10.1016/j.ajhg.2011.01.007

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