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Montag, den 12. September 2016 um 08:46 Uhr

Neue Mikroskopie-Technik bringt Feinstrukturen des Lebens ans Licht

Wissenschaftler aus Deutschland, Holland, Israel und den USA haben im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit erstmals die Ultrastruktur der so genannten Fibers des Archaeums „Ignicoccus hospitalis“, das bestimmt. Diese Zellanhänge dienen dem Archaeum zum Festsetzen an Oberflächen. Sehr ähnliche Zellanhänge werden von anderen Archaeen zur Fortbewegung genutzt. Damit ist nun die Ultrastruktur von Bewegungsorganellen aus allen drei Domänen des Lebens – Bakterien, Archaeen und Eukaryonten – bekannt.

Die Anzucht der Zellen und Präparation der Zellanhänge war nur im weltweit einmaligen Archaeen-Zentrum der Universität Regensburg möglich (Prof. Dr. Reinhard Wirth). Grundlegende elektronenmikroskopische Analysen wurden am Zentrum für Elektronenmikroskopie an der Fakultät für Biologie und vorklinische Medizin der Universität Regensburg durchgeführt (Prof. Dr. Reinhard Rachel).
Die hochauflösenden elektronenmikroskopischen Bilder konnten nicht in Regensburg aufgezeichnet werden, da ein entsprechendes Gerät – ein Kryo-Elektronenmikroskop – derzeit an der Universität Regensburg (noch?) nicht vorhanden ist. Sie wurden in Holland mit einem Kryo-Elektronenmikroskop aufgezeichnet, in einem Verfahren, das mit schockgefrorenen Proben arbeitet.
Die Analyse der Daten erfolgte durch Wissenschaftler aus Israel und aus den USA. Eine Gruppe aus dem Forschungszentrum Jülich entwickelte die Berechnungsmethoden zur Datenanalyse und führte den Großteil der Strukturaufklärung durch. Mit dem Elektronenmikroskop mit einer Auflösung von ca. 4 Angstrom wurde ein Modell der Filamente des Bakteriums „Ignicoccus hospitalis“ in atomarem Detail erstellt. Diese langgestreckten Proteinfasern besitzen große Ähnlichkeit zu sogenannten Flagellen, mit deren Hilfe sich viele Prokaryonten fortbewegen. Das detaillierte 3D-Modell der Struktur könnte so zu einem besseren Verständnis dieser biologischen Antriebssysteme beitragen. Die Struktur der Fiber von Ignicoccus hospitalis ist die erste eines Archaeums, die mit (fast) atomarer Auflösung aufgeklärt werden konnte. Dies gelang durch einen dreistufigen Ansatz: hochauflösende Bildaufzeichnung (Kryo-EM), Bildrekonstruktion und neue Algorithmen zur Vorhersage von Proteinstrukturen. Damit konnte u. a. gezeigt werden, dass an einer bestimmten Stelle des Flagellins (der Proteinuntereinheit, aus der Fibers und Flagellen aufgebaut sind) eine Modifikation – sehr wahrscheinlich eine Glykosylierung – vorhanden sein muss, die danach biochemisch durch einen amerikanischen Wissenschaftler auch verifiziert wurde.

Dadurch ist die Ultrastruktur von Bewegungsorganellen aus allen drei Domänen des Lebens – Bakterien, Archaeen und Eukaryonten – bekannt. Die nun gewonnenen Daten zeigen, dass archaeelle und bakterielle Flagellen in ihrer Struktur völlig verschieden sind. Sie sind also von der Natur zweimal erfunden worden; dies ist ein weiteres Beispiel für konvergente Evolution.

Interessanterweise besteht das Flagellin aus zwei Strukturmotiven, die zunächst in Bakterien und Eukaryonten gefunden wurden. Der Anfang der Proteinkette ähnelt stark dem Anfang bakterieller Typ IV Piline, während die globuläre Domäne stark sog. Immunglobulindomänen ähnelt. Dieser Befund zeigt erneut deutlich auf, dass die Natur bereits bekannte Strukturen kombiniert, um zu neuen Funktionen zu gelangen.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.ur.de/pressearchiv/pressemitteilung/674834.html

Quelle: Universität Regensburg (09/2016)


Publikation:
Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Science veröffentlicht – siehe doi:10-1073/pnas.1607756113

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