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Donnerstag, den 17. März 2016 um 05:46 Uhr

So viele Formen!

Charakteristisch für neurodegenerative Erkrankungen wie etwa die Alzheimer-Krankheit ist die Anhäufung von fibrillenartigen Proteinstrukturen, genannt Amyloid. Wie ein Forscherteam aus deutschen und amerikanischen Wissenschaftlern jetzt in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichtet, enthält das erkrankte Gewebe des Patienten tatsächlich mehrere verschiedene, klar unterscheidbare Formen dieser Fibrillen.

Faltet sich ein Protein in der Zelle falsch, wird es in der Regel von Enzymen sofort in seine harmlosen Bestandteile abgebaut und abtransportiert. Bei bestimmten Krankheiten aggregieren jedoch manche fehlgefalteten Proteine oder Polypeptide zu Stapeln, die wiederum sehr stabile Fibrillen bilden. Ein prominentes Beispiel sind die Beta-Amyloid-Fibrillen aus dem Hirngewebe von Alzheimer-Patienten, aber es gibt auch andere Amyloid-produzierende Erkrankungen. Von diesen Fibrillen weiß man, dass sie unterschiedliche Morphologien ausbilden. Unterscheiden können sie sich in der Breite des Proteinstrangs, der Struktur an den Kreuzungspunkten, an denen die Proteine verzahnt sind, und im Abstand zwischen den Kreuzungspunkten. Allerdings galt dieser Befund bislang nur für Proben, die im Labor gezüchtet wurden. Gibt es diese Morphologien auch in echtem pathologischen Gewebe? Deutsche und amerikanische Wissenschaftler unter der Leitung von Marcus Fändrich an der Universität Ulm haben jetzt Extrakte von Tieren sowie von Patienten untersucht, die an verschiedenen Formen von Amyloidose leiden. Und tatsächlich: auch hier sind diese Unterschiede sichtbar. Dieser Befund hat Auswirkungen auf mögliche Behandlungsansätze der Amyloidosen.

Allgemein wird das Amyloid durch spezielle Farbstoffe nachgewiesen, während man durch Infrarot- und kernmagnetische Resonanzspektroskopie die genaue Faltung des Proteins ermittelt. "Polymorphismus zwischen den Proteinen kann aber spektroskopisch unsichtbar sein, sodass Einzelpartikeltechniken nötig sind", meinen die Forscher. Aus diesem Grund wählten Fändrich und seine Kollegen die Elektronenmikroskopie, um die einzelnen Fibrillen-Morphologien identifizieren zu können.

Die Forscher extrahierten die Amyloid-Fibrillen aus verschiedenen pathogenen Geweben, um sie elektronenmikroskopisch zu untersuchten. Die ersten Proben stammten aus den Herzen von zwei Personen, die an der sogenannten Leichtketten-Amyloidose litten. Dabei konnten die Wissenschaftler mindestens zwei Morphologien für die abgelagerten Fibrillen identifizieren: "Morphologie I ist dünner, während Morphologie II eine besser aufgelöste Struktur am Kreuzungspunkt hat", schreiben die Autoren. Ähnliches fanden sie für einen weiteren Patienten mit einer Transthyretin-Amyloidose sowie für Proben von Maus und Ziege. Daraus ziehen die Wissenschaftler einen wichtigen Schluss: "Die Amyloid-Fibrillen in einem einzigen kranken Individuum können sehr verschiedene dreidimensionale Architekturen ausbilden".

Dieses Ergebnis hat weitreichende Folgen für mögliche personalisierte Behandlungsmethoden auf Amyloidosen, bei denen sich die Fibrillen fatal auswirken. Denn wenn die Patienten offensichtlich mehrere Formen von Amyloid-Fibrillen ausbilden, wäre es nicht vernünftig, Ansätze gegen nur eine einzelne Fibrillenmorphologie zu entwickeln.


Den Artikel finden Sie unter:

https://idw-online.de/de/news647868

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e. V. / Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (03/2016)


Publikation:
Angewandte Chemie: Presseinfo 06/2016
Autor: Marcus Fändrich, Universität Ulm (Germany), https://www.uni-ulm.de/nawi/nawi-pbt.html
Permalink to the original article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201511524

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