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Freitag, den 05. Oktober 2012 um 06:05 Uhr

Molekulare Schere bietet neue Perspektive für Alzheimertherapie

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Spanischen Forschungsrates (CSIC) sowie Forscherinnen und Forschern der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat die atomare Struktur des menschlichen Enzyms Meprin ß (beta) entschlüsselt. Es handelt sich um eine so genannte Peptidase, die in Zusammenhang mit Entzündungskrankheiten, Krebs und der Alzheimer-Krankheit steht und an Prozessen wie Zellteilung und Zellausdifferenzierung beteiligt ist. Die neuen Erkenntnisse über Struktur und Funktion des Enzyms ermöglichen die Entwicklung von Wirkstoffen einer neuen Art gegen diese Krankheiten. Die Studie wurde in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Proceedings of the National Academy of Sciences” veröffentlicht.

„Jetzt, wo wir wissen, wie Meprin ß aussieht, wie es funktioniert und wie es mit den Krankheiten zusammenhängt, können wir gezielt nach Substanzen suchen, die seine Aktivität unterbinden, wenn diese schädlich wirkt“, erläutert Professor Xavier Gomis-Rüth, Wissenschaftler am Molekularbiologischen Institut des CSIC in Barcelona und Leiter des Projektes.

Meprin ß ist ein Enzym, das im Organismus in der äußeren Wand von Zellen vorkommt. Seine normale Funktion ist es, bestimmte Eiweiße – zum Beispiel Wachstumsfaktoren – die ebenfalls in der Zellwand verankert sind, abzuschneiden. Auf diese Weise entlässt das Meprin ß Eiweißfragmente in die Umgebung der Zelle. Dies ist ein vollkommen normaler, natürlicher Prozess – solange er mit einer nicht zu hohen und nicht zu niedrigen Intensität abläuft. Allerdings kann das Enzym unter bestimmten Umständen anormal wirken und zum Beispiel zu viele Eiweißfragmente freisetzen. Das kann dann zu einer Überfunktion der Proteinfragmente führen und damit zu Stoffwechselstörungen im menschlichen Körper. Solche Störungen treten üblicherweise in Zusammenhang mit Entzündungen, Krebs oder Alzheimer auf.

In ihrer Studie haben die Forscherinnen und Forscher nun herausgefunden, dass Meprin ß aus zwei identischen Molekülen mit einer Furche in der Mitte besteht, eine sogenannte dimere Struktur. „Wir haben festgestellt, dass die Furche im Enzym sozusagen die Schere des Meprin ß ist, also die Stelle, an der das Schneiden der Eiweiße passiert“, erklärt Professor Christoph Becker-Pauly vom Institut für Biochemie der CAU und Teilprojektleiter im Kieler Sonderforschungsbereich 877 „Proteolyse als regulatorisches Element in der Pathophysiologie“. Molekularbiologe Gomis-Rüth verweist auf die nächsten Forschungsziele: „Jetzt müssen wir Substanzen finden, die genau in die Furche passen und das Enzym bei Bedarf blocken können.“ Eine solche Substanz könnte der Schlüssel zu neuen Therapeutika gegen Entzündungskrankheiten, Krebs oder Alzheimer sein.

Die Forschungsarbeiten wurden gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Biochemie und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie der Universität Bern durchgeführt.

Hintergrundinformationen
Wissenschaftlich gehört Meprin ß zur Gruppe der Metalloproteasen. „Es ist in Bezug auf Struktur und Funktionsweise einzigartig unter den extrazellulären proteolytischen Enzymen. Mithilfe proteomischer Techniken konnten wir kürzlich in einer anderen Studie das Amyloid Precursor Protein (APP) als Substrat identifizieren. Es wurde deutlich, dass Meprin ß Peptide freisetzen kann, welche Amyloid-Plaques bilden. Man geht davon aus, dass solche Plaques den ersten Schritt bei der Entstehung von Alzheimer darstellen“, ergänzt Becker-Pauly.

Weiterhin erklärt Becker-Pauly die methodische Herangehensweise: „Um die Struktur des menschlichen Enzyms gemeinsam mit Xavier Gomis-Rüth zu entschlüsseln, haben wir Insektenzellen für die Vervielfältigung der Moleküle genutzt. Die Kenntnisse der Enzymstruktur nutzen wir nicht nur, um die genauen Mechanismen der APP-Spaltung zu untersuchen, sondern auch um spezielle Hemmstoffe zu designen, die gegen neurodegenerative Krankheiten eingesetzt werden können.“


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.uni-kiel.de/aktuell/pm/2012/2012-278-meprin.shtml

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (10/2012)


Originalpublikation:
Joan L. Arolas, C. Broder, T. Jefferson, T. Guevara, E. E. Sterchi, W. Bode, W. Stöcker, C. Becker-Pauly, and F. X. Gomis-Rüth (2012): Structural basis for the sheddase function of human meprin ß metalloproteinase at the plasma membrane. PNAS, 109 (40), pp. 16131-16136, doi: 10.1073/pnas.1211076109

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