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Mittwoch, den 23. November 2011 um 05:45 Uhr

Verbeugung vor dem Licht

Mikroroboter und Nanomaschinen sind keine reine Utopie mehr: Die Miniaturisierung schreitet voran. Dazu werden winzige Bauteile benötigt, die als Antwort auf einen Reiz kontrollierte Bewegungen vollführen können. Piezoelektrische Kristalle können eine Beugebewegung machen, wenn ein elektrisches Feld angelegt wird. Die nötige Verkabelung steht einer Anwendung im Mikromaßstab oder in einer Flüssigkeit aber entgegen. Ein Forscherteam um Masahiro Irie von der Rikkyo University (Tokio) stellt in der Zeitschrift Angewandte Chemie nun einen kabellosen „Mikro-Roboterarm“ vor, der lichtgesteuert gebeugt und gestreckt werden kann.

Die winzigen Roboterarme bestehen aus Kristallen in Form mikro- bis millimetergroßer flacher Stäbchen. Werden sie mit UV-Licht (365 nm) bestrahlt, beugen sich die Stäbchen in Richtung der Lichtquelle. Bei Bestrahlung mit sichtbarem Licht (>500 nm) strecken sie sich wieder in die ursprüngliche gerade Form.

Woher kommt diese Biege-Bewegung? Die Moleküle der Kristalle bestehen aus einem organischen Ringsystem aus fünf Ringen. Zentrales Bauelement ist eine Diarylethen-Gruppe. UV-Licht verursacht eine Umordnung der chemischen Bindungen (Isomerisierung), die zu einem Ringschluss innerhalb des Moleküls führt. Dies verändert die Form der Moleküle, was wiederum die gesamte Kristallgeometrie ändert. Der Kristall kontrahiert, aber nur dort, wo er dem UV-Licht ausgesetzt war, also in der obersten Schicht auf der bestrahlten Seite. So entsteht eine Krümmung, ähnlich wie bei einem Bimetallstreifen. Sichtbares Licht verursacht die Rückreaktion, der neu geknüpfte sechste Ring öffnet sich wieder, die ursprüngliche Kristallstruktur wird wieder hergestellt und der Kristall wird wieder gerade.

Erfolgsgeheimnis ist die Mischung zweier leicht unterschiedlicher Diarylethen-Derivate im richtigen Verhältnis. In einem solchen Mischkristall sind die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Molekülen schwächer als in einem sortenreinen. Die Kristalle überstanden mehr als 1000 Biegezyklen ohne Ermüdungserscheinungen. Abhängig von der Bestrahlung ist eine sehr starke Biegung bis zur Haarnadelform möglich.

Anders als bei bisherigen Konzepten für „molekulare Muskeln“ bietet der neue Ansatz die einzigartige Möglichkeit, die Bewegung einzelner Moleküle auf die makroskopische Ebene zu übertragen. Und anders als künstliche Mikromuskeln auf Polymerbasis arbeitet der neue Mikro-Roboterarm kabellos und antwortet extrem schnell – auch bei niedrigen Temperaturen und im Wasser.

Wird ein Ende des Kristallstäbchens befestigt, kann das lose Ende durch zyklische Bestrahlung mit UV und sichtbarem Licht beispielsweise ein kleines Zahnrad in eine Drehbewegung versetzen. Auch als Lastenaufzug taugt es: Wiederum an einer Kante fixiert kann das Stäbchen ein Gewicht heben, das mehr als 900 mal so schwer ist wie der Kristall selber. Damit ist es kräftiger als Polymer-Muskeln und piezoelektrischen Kristallen ebenbürtig.


Den Artikel finden Sie unter:

http://idw-online.de/de/news452136

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft / Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (11/2011)


Publikation
Angewandte Chemie: Presseinfo 45/2011
Autor: Masahiro Irie, Rikkyo University, Tokyo (Japan), http://www.rikkyo.ne.jp/web/iriem/irielab/
Angewandte Chemie, Permalink to the article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201105585

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