Polystyrol ist sehr verbreiteter Kunststoff, der im Gemisch mit anderen Materialien kaum wiederverwertbar und nicht bioabbaubar ist. In der Zeitschrift Angewandte Chemie stellt ein deutsches Forschungsteam einen Biohybrid-Katalysator vor, der Polystyrol-Mikropartikel oxidiert, um einen anschließenden chemischen Abbau zu erleichtern. Der Katalysator besteht aus einem speziell konstruierten „Ankerpeptid“, das auf Polystyrol-Oberflächen haftet, und einem Kobalt-Komplex, der das Polystyrol oxidiert.
Polystyrol kommt – allein oder im Verbund mit anderen Polymeren – in
vielen Anwendungen vor, vom Joghurtbecher bis zum Gerätegehäuse. In
seiner besonders unter dem Handelsnamen „Styropor“ bekannten,
geschäumten Form, wird es z.B. zur Wärmedämmung und als
Verpackungsmaterial eingesetzt. Ein großer Nachteil von Polystyrol ist
seine schlechte biologische Abbaubarkeit, was zu Umweltverschmutzung
führt. Sortenrein und sauber ist Polystyrol gut recycelbar, nicht aber
verschmutzt oder im Gemisch oder im Verbund mit anderen Materialien. In
kommunalen Recyclingprogrammen können gemischte
Polystyrol-Kunststoffabfälle und Abbauprodukte wie Polystyrol-Nano- und
-Mikropartikel nur schwer verwertet werden. Das Problem: Polystyrol ist
wasserabweisend und unpolar und kann daher mit vielen gängigen polaren
Reaktanden nicht reagieren.
Für ein einfaches, kostengünstiges,
energieeffizientes Verfahren zum Abbau gemischter Polystyrol-Abfälle
müsste das Polystyrol zuallererst mit polaren funktionellen Gruppen
ausgestattet werden. Das Team um Ulrich Schwaneberg und Jun Okuda von
der RWTH Aachen hat jetzt einen neuartigen biohybriden Katalysator für
diesen Schritt entwickelt. Er basiert auf sog. Ankerpeptiden und einem
Kobalt-Komplex.
Ankerpeptide sind kurze Eiweißketten, die auf
Oberflächen haften können. Das Team hatte ein spezielles Ankerpeptid
entwickelt (LCI, “liquid chromatography peak I”), das an
Polystyrol-Oberflächen bindet. Ein Gramm des Peptids reicht, um eine
Oberfläche bis zu 654 m2 innerhalb von Minuten in Form einer Monoschicht
durch Besprühen oder Eintauchen zu bedecken.
Über ein kurzes
Verbindungsstück wird das Ankerpeptid an einen katalytisch aktiven
Kobaltkomplex geknüpft. Das Kobaltatom wird dabei von einem
makrozyklischen Liganden „eingefasst“, einem Ring aus acht Kohlenstoff-
und vier Stickstoffatomen (TACD, 1,4,7,10-Tetraazacyclododekan). Der
Katalysator ist in der Lage, C–H-Bindungen von Polystyrol-Mikropartikeln
mit Oxone (Kaliumperoxomonosulfat), einem gängigen Oxidationsmittel, zu
oxidieren und so polare OH-Gruppen einzubauen (Hydroxylierung). Die
Ankerpeptide können Material-spezifisch an Oberflächen binden und über
diese orientiere Immobilisierung das katalytisch aktive Kobalt nah an
die Polystyrol-Oberfläche bringen und so die Reaktion beschleunigen. Der
einfache, kostengünstige und energieeffiziente Ansatz ist über Tauch-
und Sprühapplikationen skalierbar und für den technischen Maßstab
geeignet.
Das Hybridkatalysator-Konzept mit Material-spezifischer
Anbindung über Ankerpeptide könnte über konjugierte chemische
Katalysatoren den Material-spezifischen Abbau weiterer hydrophober
Polymere, wie Polypropylen oder Polyethylen, ermöglichen, die mittels
Enzymen nicht ökonomisch abbaubar sind.
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Quelle: Angewandte Chemie (02/2024)
Publikation:
Angewandte Chemie https://doi.org/10.1002/ange.202317419