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Dienstag, den 14. Februar 2017 um 07:32 Uhr

Biozide wirken im Wasser giftiger als vermutet

Die Land- und Forstwirtschaft brauchen Pestizide. Als umweltfreundliche Alternative zu klassischen Schädlingsbekämpfungsmitteln gelten Biopestizide. Mittlerweile sind auf dem Markt Hunderte verschiedener Produkte erhältlich – Tendenz steigend. Sie alle beruhen auf unterschiedlichen Pflanzenextrakten oder Bakterien. Über den Wasserkreislauf können die Stoffe von den Feldern und Wäldern auch in unsere Gewässer gelangen. Am Beispiel des bakterienbasierten Biozids Dipel ES hat deshalb ein Forscherteam des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) untersucht, wie sich das Gift auf Gewässerorganismen auswirkt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Dipel ES gerade in sehr geringen Dosen auf den Wasserfloh, einen Nichtzielorganismus, toxisch wirkt, in hohen Konzentrationen aber ungiftig bleibt.

Bakterienbasierte Produkte gehören weltweit zu den bedeutendsten Bioziden. Eines dieser in Europa sowie in den USA weit verbreiteten Produkte ist Dipel ES (Bodenbakterium Bacillus thuringiensis). Als Fraßgift entfaltet es seine toxische Wirkung im Darm der Schädlinge. In Deutschland wird es vor allem zur Bekämpfung von Schmetterlingsraupen wie dem Eichenprozessionsspinner auf Wald- und Parkflächen eingesetzt. Zugelassen ist es auch im ökologischen Obst-, Gemüse- und Ackerbau. Forscher und Umweltschützer warnen jedoch vor negativen Effekten auf Wildtiere, für die das Gift nicht bestimmt ist.

Auch wenn Mindestabstände zu Gewässern eingehalten werden, können Biozide in den Wasserkreislauf gelangen. In Laborversuchen untersuchten Wissenschaftler deshalb, wie sich Dipel ES auf Wasserflöhe (Daphnia magna) auswirkt. Wasserflöhe sind im aquatischen Nahrungsnetz von zentraler Bedeutung und eigentlich kein Zielorganismus des Pestizids. „Wir setzten neugeschlüpfte als auch ausgewachsene Tiere einem weiten Bereich an unterschiedlichen Dipel ES-Konzentrationen aus“, erklärt Dr. Anderson Abel de Souza Machado, Gastwissenschaftler am IGB und Erstautor der Studie. „Anhand der Mortalität, Unbeweglichkeit und anderer Reaktionen wie Körperzusammensetzung und Entgiftungsenzyme beurteilten wir anschließend ihren allgemeinen Fitness-Zustand.“

Dipel ES wirkt im Wasser zehntausendmal toxischer als bislang vermutet

Die Forscher fanden heraus, dass Dipel ES bei Wasserflöhen ein unerwartetes Toxizitätsmuster verursacht: Die Unbeweglichkeit, d.h. der Verlust der Schwimmfähigkeit, und die Sterblichkeit stiegen nicht proportional über den gesamten getesteten Konzentrationsbereich an.

Während bei hohen Konzentrationen keine Auswirkungen auf die Organismen beobachtet werden konnten, führten bereits geringe Dosen zu deutlichen Effekten. „Das Biopestizid könnte damit zehntausendmal toxischer sein als vom Hersteller angegeben“, vermuten sie.

Schon geringe Mengen entfalten eine toxische Wirkung

Das ungewöhnliche Toxizitätsmuster lässt Zweifel an einer weiteren Annahme aufkommen: In der Regulationstoxikologie wird normalerweise davon ausgegangen, dass die negativen Auswirkungen von Toxinen mit deren Dosis steigen. „Den Effekt, dass sich die Toxizität mit steigender Menge des Giftstoffs erhöht, nennen wir Monotonie“, erläutert Anderson Abel de Souza Machado. „Den Wirkungen von Dipel ES liegen offensichtlich andere Mechanismen zugrunde. Höhere Konzentrationen waren ungiftig, was in der Toxikologie als nicht-monotone Wirkung oder Effekt mit umgekehrter (inverser) U-Kurve bezeichnet wird“, sagt er. Die vorläufigen Analysen deuten darauf hin, dass diese ungewöhnlichen Effekte durch die Lösung des Biozids in Wasser hervorgerufen werden könnten. Es seien jedoch weitere Untersuchungen notwendig, um zu untersuchen, ob solche nicht-monotone Effekte wie bei Dipel ES auch außerhalb des Labors unter Freilandbedingungen auftreten können.


Den Artikel finden Sie unter:

http://www.igb-berlin.de/news/biozide-wirken-im-wasser-giftiger-als-vermutet

Quelle: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) (02/2017)

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