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Freitag, den 23. April 2010 um 06:05 Uhr

Schlüsselelemente für eine Elektronik nach Maß

Die Grenzflächen komplexer Oxide zeigen oft unerwartete Eigenschaften, die nicht in den Ausgangsmaterialien vorhanden sind. Eine gezielte Manipulation dieser Eigenschaften könnte zu elektronischen Bauteilen mit maßgeschneiderten Funktionen führen. Ein Team um die LMU-Physikerin und Materialwissenschaftlerin PD Dr. Rossitza Pentcheva konnte nun erstmals die Vorgänge an der Grenzfläche von Oxidschichten – hier aus den beiden Isolatoren Lanthanaluminat (LaAlO3) und Strontiumtitanat (SrTiO3) – entschlüsseln. Wie kürzlich von Augsburger Forschern um Professor Mannhart nachgewiesen, entwickelt sich ab einer gewissen Dicke der LaAlO3-Schicht ein zweidimensionales Elektronengas. Dann leitet die bislang isolierende Grenzschicht Strom. „In einer internationalen Kooperation haben wir nun gezeigt, dass sich dieser Effekt durch eine Deckschicht aus SrTiO3 zusätzlich manipulieren lässt“, berichtet Pentcheva. „Besonders spannend ist, dass sich dabei eine Doppellage aus mobilen Elektronen an der Grenzfläche und Löchern an der Oberfläche ausbildet, den positiv geladenen Gegenstücken der Elektronen.“ Dieses Elektron-Loch-System, bei dem die Ladungsträger nur ein bis zwei Nanometer voneinander getrennt sind, könnten Schlüsselelemente in der weiteren Miniaturisierung elektronischer Bauelemente werden.(Physical Review Letters online, 22. April 2010)

Übergangsmetalloxide sind außerordentlich spannende Werkstoffe, weil sie dank der starken Wechselwirkung ihrer Elektronen vielfältige Eigenschaften zeigen. Als Hochtemperatur-Supraleiter etwa leiten sie bei tiefen Temperaturen elektrischen Strom ohne Energieverluste. Manche Oxide sind dagegen magnetisch oder ferroelektrisch, etwa weil sie ein permanentes elektrisches Dipolfeld aufbauen. Manchmal kann ein Magnetfeld auch den elektrischen Widerstand des Materials extrem stark verändern. Dieser kolossale Magnetowiderstand ähnelt dem Riesenmagnetowiderstand, auf dem die Leseköpfe von Festplatten basieren. So könnten Übergangsmetalloxide die Grundlage für eine künftige Spintronik bilden, welche die Ladung der Elektronen und auch deren magnetisches Moment für die Informationsverarbeitung nutzt.

Die Herstellung von oxidbasierten Schichtstrukturen mit atomarer Präzision ist erst seit Kurzem möglich. Um Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu erhalten, müssen im Labor eine Vielzahl von Parametern variiert werden. Da im Experiment mehrere Faktoren zusammenwirken, können allerdings die Ursachen oft nicht eindeutig identifiziert werden. Deshalb spielen komplexe quantenmechanische Simulationen eine große Rolle, mit deren Hilfe das Verhalten eines Materials auf der atomaren Ebene berechnet werden kann.

Entsprechend modellierten die Forscher um PD Dr. Rossitza Pentcheva am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU die elektronischen Phänomene bei Übergangsmetalloxiden, indem sie die quantentmechanischen Wechselwirkungen einzelner Atome an den Grenzflächen zwischen LaAlO3- und SrTiO3-Schichten berechneten. „Wir haben einen neuen und besonders einflussreichen Parameter gefunden“, sagt die Materialwissenschaftlerin. „Wie sich in Zusammenarbeit mit Kollegen der University of California in Davis gezeigt hat, lässt eine SrTiO3 Deckschicht das System schon bei einem deutlich dünneren LaAlO3-Film elektrisch leitend werden.“ Experimente an der niederländischen Universität Twente haben dies bestätigt.

Weil LaAlO3 formal aus positiv und negativ geladenen Lagen besteht, ist seine Oberfläche polar. Um diesen Ladungsunterschied auszugleichen, entsteht an der Grenzfläche zum neutralen SrTiO3 ein Elektronengas. Zudem bildet sich an der Oberfläche des Systems eine Lage mit positiven Ladungsträgern, den Löchern – als Gegenstück zu den negativ geladenen Elektronen. Derartige Elektron-Loch-Paare sind Schlüsselelemente in der Halbleiterelektronik. So beruht etwa die Funktion von Solarzellen darauf, dass Licht ein Elektron auf ein neues Energieniveau hebt. Dabei bleibt ein Loch zurück. Im Gegensatz zu Halbleitern sind in diesem System die Elektron-Loch Schichten nur ein bis zwei Nanometer voneinander entfernt.

Solche Systeme könnten eine Schlüsselrolle für die weitere Miniaturisierung von Elektronik-Bauelementen spielen. „Wir wollen nun gezielt nach Materialkombinationen mit neuartigen elektronischen Eigenschaften suchen“, sagt Pentcheva. Dieses Projekt soll im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs SFB/TRR80 „Von elektronischen Korrelationen zur Funktionalität“ durchgeführt werden.

Den ganzen Artikel finden Sie unter

http://www.uni-muenchen.de/einrichtungen/zuv/uebersicht/komm_presse/verteiler/presseinformationen/2010/f-22-10.html

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München (04/2010)

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