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Freitag, den 09. April 2010 um 00:53 Uhr

Jenseits des Quantenlimits

Einem Forschungsteam der Universität Basel, der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching sowie der Ecole Normale Supérieure in Paris ist es erstmals gelungen, verschränkte Zustände von Atomen auf einem Mikrochip zu erzeugen. Damit lässt sich die Präzision von kompakten, chip-basierten Atomuhren oder Interferometern steigern. Weitere mögliche Anwendungen der neuen Technik könnten Mikrochip-basierte Quantencomputer sein. Die Forschungsergebnisse werden in der nächsten Ausgabe von Nature veröffentlicht und sind bereits vorab online verfügbar.
Eines der faszinierendsten Phänomene in der Quantenmechanik ist die sogenannte Verschränkung. Befinden sich zwei Teilchen in einem verschränkten Zustand, dann sind sie nicht mehr als zwei Individuen, sondern als eine Gesamtheit zu betrachten. Was immer das eine tut oder treibt (oder was mit ihm getrieben wird), es beeinflusst im selben Moment das Verhalten des anderen, und zwar unabhängig davon, wie weit die Teilchen voneinander entfernt sind. Als "geisterhaft" bezeichnete Albert Einstein schon vor 80 Jahren diese intuitiv nicht verständliche Fernwirkung, die zwingend aus der Theorie der Quantenmechanik folgt. Doch erst in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts gelang es, Verschränkung zwischen Atomen experimentell zu erzeugen und nachzuweisen. Damit eröffnet sich den Physikern die Möglichkeit, dieses Phänomen nicht nur besser zu verstehen, sondern auch für technische Anwendungen, wie etwa Kommunikation, Metrologie und Informationsverarbeitung nutzbar zu machen.

Im vorliegenden Experiment gelang dem Forschungsteam um Prof. Philipp Treutlein (Universität Basel) und Professor Theodor W. Hänsch (Ludwig-Maximilians-Universität München und Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching) in Kooperation mit theoretischen Physikerinnen um Dr. Alice Sinatra von der Ecole Normale Supérieure (ENS) in Paris erstmals Verschränkung auf einem sogenannten Atom-Chip zu erzeugen. Dabei handelt es sich um einen mikrostrukturierten Chip, mit dem sich einzelne Atome oder auch Atomwölkchen einfangen und manipulieren lassen. Atom-Chips haben sich bereits als nützliche Werkzeuge bewährt, um fundamentalen Fragen der Quantenphysik nachzugehen. Jedoch bleiben ihre Anwendungsmöglichkeiten nicht nur auf die Grundlagenforschung beschränkt. So haben die Forscher bereits kompakte Atomuhren damit verwirklicht, die für den portablen Einsatz geeignet sind. Bislang fehlte jedoch die Möglichkeit, auf diesen Chips Verschränkung zu erzeugen. Und solange Atomuhren mit voneinander unabhängigen, also nicht-verschränkten Atomen betrieben werden, ist ihre Genauigkeit durch das sogenannte "Quantenrauschen" fundamental begrenzt.

Die theoretischen Physikerinnen Alice Sinatra und Li Yun haben vor zwei Jahren zusammen mit der Gruppe um Philipp Treutlein ein Konzept zur Verringerung des Quantenrauschens entwickelt, das jetzt mit Erfolg experimentell umgesetzt wurde.

Dazu wird zunächst eine Wolke von Rubidiumatomen auf dem Chip eingefangen und auf weniger als ein Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Bei diesen Temperatu-ren bildet sich ein neuer Materiezustand aus, ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat (BEC), in dem sich alle Atome im gleichen quantenmechanischen Zustand befinden. Die Atome werden dann in eine quantenmechanische Überlagerung aus zwei Spinzuständen gebracht. Mit Hilfe des Atom-Chips konnten die Wissenschaftler die Kollisionswechselwirkung der Atome kontrollieren und auf diese Weise die Atome über ihren Spin miteinander verschränken.

Bei einer Messung des Spins trifft man im Mittel die Hälfte der Atome im Grundzustand, die andere Hälfte im angeregten Zustand an. "Abweichungen" von diesem Mittelwert führen zu einem "Quantenrauschen", das sich im Fall von nicht-verschränkten Atomen gemäß der Heisenbergschen Unschärferelation gleichmäßig auf die beiden Spinkomponenten senkrecht zur Hauptrichtung verteilt.

Die Wissenschaftler untersuchten nun, wie das Quantenrauschen durch die Verschränkung beeinflusst wird. Dabei konnten sie nachweisen, dass das Rauschen für eine der Komponenten des Spins auf einen Wert "gequetscht" werden kann, der kleiner als das durch die Heisenbergsche Unschärferelation gesetzte Quantenlimit ist. Aus der Stärke der "Quetschung" können sie schließen, dass sich in dem BEC Cluster von jeweils mindestens vier miteinander verschränkten Atomen gebildet haben.

Die Genauigkeit von Atomuhren ließe sich durch die Benutzung solcher gequetschter Zustände deutlich erhöhen. Weitere Anwendungsgebiete der neuen Technik sind hochempfindliche Atominterferometer zum Aufspüren extrem schwacher Kraftfelder sowie die Realisierung eines Quantengatters, dem Baustein von zukünftigen Quantencomputern. Die Wissenschaftler erhoffen sich von ihren Experimenten ferner grundlegende Einblicke in die Mechanismen, die zu Quantenkorrelationen in Vielteilchensystemen führen.

Den Artikel finden Sie unter:

http://www.unibas.ch/index.cfm?uuid=D73E4B993005C8DEA36AAECDA518F8F9&type=search&show_long=1

Quelle: Universität Basel (04/2010)

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