Volltextsuche

Montag, den 06. Februar 2023 um 04:03 Uhr

Projekt Reichskrone: Umfassende Untersuchung der 172 Steine

Die Wiener Reichskrone wird derzeit im Rahmen eines Projektes des Kunsthistorischen Museums umfassend untersucht. Bei einer Spektroskopie-Messkampagne in Kooperation mit dem Institut für Mineralogie und Kristallographie der Universität Wien wurden nun auch alle 172 Edelsteine genauestens untersucht und dokumentiert. Insbesondere der große rote Spinell sorgte dabei für eine Überraschung: Die Messungen belegen, dass der Stein wärmebehandelt wurde, um seine Farbigkeit zu verbessern - damit wäre er der älteste Spinell, an dem eine solche Behandlung bisher nachgewiesen werden konnte.

Die Wiener Reichskrone zählt zu den ideell und materiell wertvollsten Objekten der Kaiserlichen Schatzkammer. In ihrer rund tausendjährigen Existenz schrieb sie sich dem kollektiven Gedächtnis als eines der bedeutendsten Symbole europäischer Geschichte ein.

Trotz einer beinahe 250-jährigen Forschungsgeschichte gab es bisher zahlreiche offene Fragen - zu den Materialien und der Herstellungstechnik ebenso wie der Datierung und frühen Geschichte der Krone, die zwischen Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichtswissenschaft in jüngster Zeit wieder sehr kontrovers diskutiert wird. Vor diesem Hintergrund wird die Krone erstmals von einem interdisziplinären Forschungsteam des Kunsthistorischen Museums in Kooperation mit internationalen Institutionen und mithilfe neuester Technologien umfassend erforscht.

Die Untersuchungen werden von einem Team aus Forscher*innen der Geschichts- und  Kunstwissenschaft, Konservierungs- und Naturwissenschaften gemeinsam durchgeführt. Im Rahmen einer Spektroskopie-Messkampagne konnte in einer Kooperation mit dem Institut für Mineralogie und Kristallographie der Universität Wien der Edelsteinbesatz der Reichskrone nun erstmals umfassend untersucht werden.

Zu den insgesamt 172 auf Kronreif, Stirnkreuz und Kronbügel eingesetzten Steinen gab es davor lediglich eine handschriftliche Aufzeichnung zu einer optischen Klassifizierung einiger Edelsteine aus dem Jahr 1977.

Erste Ergebnisse zur Untersuchung des Steinbesatzes

Zur Vorbereitung der naturwissenschaftlichen Untersuchungen des Steinbesatzes wurden 3D-Digitalmikroskopaufnahmen von den Steinen und von charakteristischen Einschlüssen angefertigt. Im Anschluss konnten dank einer Kooperation mit Prof. Lutz Nasdala und seinem Team vom Institut für Mineralogie und Kristallographie der Universität Wien sowie der Firma WITec GmbH (Ulm) im Mai 2022 erstmals sämtliche 172 Steine auf Kronreif, Stirnkreuz und Bügel mittels eines eigens adaptierten Spektrometersystems, das sowohl die Aufnahme von Raman- als auch von Photolumineszenzspektren ermöglicht, bestimmt werden.

Demnach befinden sich heute 71 Saphire, 50 Granate, 20 Smaragde, 13 Amethyste, 4 Chalcedone, 3 Spinelle und 11 verschieden gefärbte Gläser auf Kronreif, Stirnkreuz und Bügel.

Großer roter Spinell wurde wärmebehandelt

Eine für die Edelsteinforschung spektakuläre Entdeckung betrifft den großen roten Spinell in der mittleren Reihe der Stirnplatte. Die Messungen belegen hier, dass der Stein hohen Temperaturen von nahezu 1000 °C ausgesetzt war, bevor er in die Krone eingesetzt wurde. Ob es sich dabei tatsächlich um eine – heute völlig übliche – zielgerichtete Wärmebehandlung zur Verbesserung der Farbigkeit des Steins handelte, ist vorläufig noch offen. In diesem Fall würde es sich hier nicht nur um den ersten großen Spinell an einem historischen Schmuckobjekt handeln, sondern auch um den ältesten Spinell, an dem ein solche Behandlung bisher nachgewiesen werden konnte. Diese sowie weitere Erkenntnisse, etwa zur Vielfalt der verwendeten Granattypen durch Prof. H. Albert Gilg vom Lehrstuhl für Ingenieurgeologie an der Technischen Universität München, werden im Rahmen eines demnächst erscheinenden Artikels im britischen Journal of Gemmology publiziert und zur Diskussion gestellt.

Ramanspektrometer von WITec

Das für die Untersuchungen eigens adaptierte Ramanspektrometer, das sowohl die Aufnahme von Raman- als auch von Photolumineszenzspektren ermöglichte, wurde von Fa. WITec Wissenschaftliche Instrumente und Technologie GmbH, zur Verfügung gestellt.

Ergänzend fertigten die Techniker Erich Polacek sowie Roman Schuckert vom Institut für Mineralogie und Kristallographie einen Adapter im 3D-Druckverfahren an, um das Gerät justieren zu können. Anschließend wurden im Rahmen einer zweiwöchigen Messkampagne alle 172 Steine bestimmt.

Aktuell laufen die Vorbereitungen zu weiterführenden Untersuchungen mithilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse, einer ebenfalls zerstörungsfreien Methode, die zusätzliche Erkenntnisse etwa zur Klassifizierung verschiedener Arten von Granaten oder besonderer Einschlussphasen, die Hinweise auf die Provenienz einzelner Steine geben könnten, erbringen sollen. Im Fokus stehen dabei ebenso die zahlreichen Perlen auf der Krone, deren Spezifika mit Unterstützung von Stefanos Karampelas vom Laboratoire Français de Gemmologie in Paris, einem ebenfalls führenden internationalen Experten auf seinem Gebiet, analysiert und ausgewertet werden können.



Website: projekt-reichskrone.at


Den Artikel fiden Sie unter:

https://fgga.univie.ac.at/reichskrone/

Quelle: Universität Wien (01/2023)

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.